Andrzej Wójtowicz

Dann erzählte ich vom Beginn des Projekts…

 

Ich war seit den 1960er Jahren Geschäftsführer des Polnischen Ökumenischen Rates (PÖR). In dieser Funktion lag mir sehr viel daran, dem Protestantismus im überwiegend katholischen Polen zu mehr Bekanntheit in der Öffentlichkeit zu verhelfen.
Meine Aufgabe bestand darin, Kontakte zu evangelischen Kirchen im Ausland zu unterhalten. So hatte ich Kontakt in die Bundesrepublik zur EKD und in die DDR zum Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR. Außerdem hatte ich Kontakte ins Kindergesundheitszentrum, besonders zu Frau Professor Goncerzewicz, die dieses ab 1979 leitete.

 

Vertrauen schaffen

Ich lud Frau Goncerzewicz zu einer Reise in die Bundesrepublik Deutschland ein, um ihr die diakonische Arbeit der evangelischen Kirche zu zeigen. Für die Deutschen ist das selbstverständlich, für Polen nicht. Sie kannte diese Art der Arbeit nicht und war sehr beeindruckt. Nach dieser Reise war sie offen für die Anfragen vom Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR.
Die Koordinatorin der Partnerschaft zum Kindergesundheitszentrum war Christa Lewek vom Bund. Beide Frauen verstanden sich sehr gut. Ich kannte Christa Lewek seit 1967. Wir trafen uns bei verschiedenen dienstlichen Gelegenheiten. Ich denke, dass es vor allem dem Engagement von Christa Lewek zu verdanken ist, dass das Projekt tatsächlich verwirklicht wurde. Oft ist es so, dass Projekte von Personen und vom Vertrauen zueinander abhängen. Wir vertrauten uns und wagten deshalb auch dieses Projekt.

Ein sichtbares Zeichen der Hilfe

Ich habe meine Kontakte zur Verfügung gestellt und als Vermittler gearbeitet. Zum einen ging es darum, die Spendenbereitschaft der Gemeinden in der DDR und die Erwartungen des Krankenhauses miteinander zu verbinden. So kam es, dass die Kirche der DDR vor allem Einrichtungsgegenstände für das Krankenhaus finanzierte. Beide Regierungen – die der DDR und die Polens – waren damit einverstanden, so dass die Aus- und Einfuhr der Waren komplikationslos verlief. Es gab immer einmal Material- und Lieferschwierigkeiten in der DDR. Aber letztendlich kam alles hier an und wurde zu einem sichtbaren Zeichen der Hilfe.
Zum anderen ging es um die Idee, dass Jugendgruppen, später dann Frauengruppen, zu Arbeitseinsätzen ins Krankenhaus kommen wollten. Persönliche Kontakte sollten aufgebaut werden. Die Idee wurde auf beiden Seiten gut aufgenommen.
Frau Lewek schickte zwei Diakone nach Warschau, um die Einsätze vorzubereiten. Ich war ihnen dabei behilflich. Der PÖR lud Bischof Schönherr nach Warschau ein und schuf den Kontakt zum Kindergesundheitszentrum. Auch wir wurden mit Vertretern des Krankenhauses nach Berlin eingeladen. Auf diesen Treffen konkretisierten wir die Idee mit den Arbeitseinsätzen. Es sollte über das Arbeiten hinaus auch Begegnungen mit der evangelischen Kirche, mit der Geschichte und Kultur Polens und mit dem schwierigen deutsch-polnischen Verhältnis seit dem 2. Weltkrieg geben.
Als dann die ersten Gruppen kamen, empfing ich sie auch bei mir im PÖR. Ich erzählte ihnen etwas über die polnische evangelische Kirche, über die Geschichte und die Entwicklung, und ich beantwortete ihre Fragen. Das war jedes Jahr so. Die beiden Diakone, die die Gruppen leiteten, waren sehr engagiert und so wurden die Einsätze ganz automatisch Jahr für Jahr weitergeführt.

 

Später kamen dann Frauengruppen

Auch mit diesen Gruppen habe ich mich getroffen und mit ihnen über viele gesellschaftliche, politische und kirchliche Themen diskutiert. Ein wichtiges Thema, das die deutschen Frauen sehr interessierte, war die Frauenordination, die es in der polnischen evangelischen Kirche bis heute nicht gibt. Wir haben eine recht konservative Kirche. Die Frauengruppen aus Deutschland zeigten nach außen ein offeneres Bild von einer evangelischen Kirche. Das war für uns sehr gut.
Eine andere Aufgabe, die ich manchmal wahrnahm, war das Vermitteln in Krisensituationen zwischen dem Krankenhaus und den evangelischen Frauen aus Deutschland. Durch neue Personen in den Leitungspositionen war das Projekt manchmal in Vergessenheit geraten. Dann fuhr ich zum Krankenhaus und erzählte vom Beginn des Projekts und davon, welche Bedeutung es hat. Manchmal bekam ich einen Anruf und versuchte zu helfen. Meistens gelang es. Halina Radacz hat viele Jahre lang die Gruppen eng begleitet und somit einigen Schwierigkeiten vorgebeugt. Da hat sie sich große Verdienste erworben.
Es war gerade in seiner Regelmäßigkeit über mehrere Jahrzehnte ein sehr gutes Projekt – für die deutschen Teilnehmer_innen der Einsätze, für das Kindergesundheitszentrum und auch für die evangelische Kirche in Polen.

Die Versöhner_innen.